Manchmal im Leben ist man in der luxuriösen Situation, sich zwischen zwei Harfen entscheiden zu dürfen. Eine meiner Schülerinnen möchte sich gern eine Volksharfe zulegen. Verschiedene Faktoren (Lieferzeit, Preis, Optik) schlossen andere Hersteller aus, so dass die beiden Kandidaten Mürnseer und Petutschnigg im Finale stehen.
Wegen der Corona-Pandemie sind die gängigen Methoden des Harfe-Probe-Spielens sehr eingeschränkt. Weder kann man auf Veranstaltungen, Harfentreffen o.Ä. mal eben kurz eine Harfe anspielen, noch kann man zu den Herstellern fahren, wenn diese im österreichischen Ausland leben (außer man verplant seinen Jahresurlaub für die anfallende Quarantäne).
Daher habe ich für meine Schülerin ein Probespielen organisiert. Und das ging so: im hiesigen Hospiz steht dank einer großzügigen Spende der Bodenseebank eine Mürnseer Volksharfe. Ich selbst verfüge über eine Petutschnigg Volksharfe. Kurz entschlossen schloss ich mich mit der Pflegedienstleitung kurz, und sie sah darin überhaupt kein Problem. Die Harfe steht in einem weit von den Patienten entfernten Raum, der von außen zugänglich ist, so dass wir keinerlei Gefahr für die Bewohner und das Personal darstellen dürften. Dennoch wurden die Vorgaben mit Test, FFP2-Maske, Desinfektion und Lüften selbstverständlich eingehalten. Und so sah ich meine Schülerin nach längerer Zeit wieder live, und zwar in einem Hospiz. Diese Pandemie treibt seltsame Blüten...
Ich möchte euch gern die objektiven und subjektiven Unterschiede zwischen den beiden Harfen darstellen.
Mürnseer
Ergonomie:
deutlich stärker gekrümmter Resonanzkörper, wenn die Harfe steht, zeigt die Säule gerade nach oben
Bewertung: Das muss unbedingt getestet werden! An welcher Harfe fühle ich mich wohler? Wo spüre ich weniger Gewicht auf den Schultern? Bekomme ich nach längerem Spielen Probleme im Rücken, an der Schulter, etc.?
mehr Platz zwischen den Saiten in der 0. und 1. Oktave (=ganz oben)
Bewertung: Den zusätzlichen Platz in der Höhe empfinde ich beim Spielen als angenehm.
Ausstattung:
Holzfüße, Holzboden, Holzpedale
Bewertung: Optisch definitiv überzeugend, in der Praxis finde ich es angenehm, wenn die Harfe nicht so auf dem Boden klappert und womöglich rutscht, und wer schonmal draußen mit leicht feuchten Schuhsohlen gespielt hat, vermisst hier die Gummiauflagen, die die Petutschnigg an den Pedalen hat.
Handhabung:
Stimmwirbel auf beiden Seiten des Halses, Stimmen von rechts
Bewertung: Für mich ist das Stimmen und Saiten aufziehen von rechts (wie an der Doppelpedalharfe) deutlich leichter, optisch finde ich es schöner, wenn nicht beide Seiten der Harfe durch die Metallstifte "zerlöchert" werden.
Klang:
Bässe klingen nicht so lang nach
in der Höhe ist der Ton sehr klar
Bewertung: Der Klang ist ein so subjektives Empfinden, dass sich hier wirklich jeder eine eigene Meinung bilden muss. Zudem klingt jede Harfe individuell, und wenn sie z.B. wenig gespielt wird, klingt sie nicht mehr so gut. Auch die Luftfeuchtigkeit bei der Lagerung kann den Klang ganz erheblich beeinflussen. Dennoch gibt es einen generellen Unterschied im Klang zwischen den beiden Herstellern. Die Mürnseer-Harfen klingen eher wie eine Konzertharfe, brillianter, präziser, filigraner. Es gibt sie konsequenterweise auch mit Darmbesaitung.
Optik:
Bewertung:
Beide Harfen sind wunderschöne Handwerksarbeit. Je nach Geschmack gibt es schlichte, gefräste Säulen, aufwändigere gedrechselte Säulen und raffiniert geschnitzte Säulen.
Die oben erwähnten Punkte der Holzfüße und Holzpedale wie die Stimmwirbel-Situation sind individuell zu bewerten.
Preis:
Momentan ist eine Mürnseer Harfe deutlich günstiger, fast 2000€ Unterschied für ein schlichtes, 40-saitiges Modell im Vergleich zum Osttiroler Hersteller Petutschnigg. Ich denke aber, dass hier eine notwendige Preissteigerung noch nicht stattgefunden hat und berechtigterweise noch kommen wird. Preislisten unterliegen stetigem Wandel, daher informiert euch bitte immer aktuell beim Hersteller.
Petutschnigg
Ergonomie:
weniger gekrümmter Resonanzkörper, im Stehen zeigt die Säule schräg nach vorne
Bewertung: Das muss unbedingt getestet werden! An welcher Harfe fühle ich mich wohler? Wo spüre ich weniger Gewicht auf den Schultern? Bekomme ich nach längerem Spielen Probleme im Rücken, an der Schulter, etc.?
Bei den Petutschnigg-Harfen ist der Platz oben zwischen den Saiten gleichbleibend groß. Ähnlich wie Camac und Salvi handhaben die Hersteller das unterschiedlich. Was einem liegt, ist Geschmackssache und auch Gewohnheit.
Ausstattung:
Metallfüße mit Gummi, Gummiaufsatz am Boden, Gummiaufsatz auf den Pedalen
Bewertung: Was optisch definitiv nicht in der Oberliga mitspielt, ist dafür umso praktischer: die Harfe verrutscht auf glatten Böden weniger leicht beim Spielen, die Füße finden sicheren Halt auf den Pedalen. Für mich sticht hier die Funktion die Form.
Handhabung:
Stimmwirbel nur auf der linken Seite des Halses, Stimmen von links
Bewertung: Ich finde das Stimmen und Saiten aufziehen von links total unpraktisch. Da an meiner Petutschnigg nach 25 Jahren das erste Mal eine Saite gerissen ist, habe ich in dieser Disziplin aber auch wenig Übung.
Klang:
Bässe klingen sehr lang nach
in der Höhe ist der Ton weich und wohlig
Für mich ist der Klang meiner Petutschnigg unvergleichlich. Sie ist weich und voll, und in der Lautstärke und Intensität sticht sie so manche Doppelpedalharfe locker aus. Meine Erfahrung in lauten Umgebungen ist, dass sie sich wirklich gut und unaufdringlich durchsetzt. Die Bässe verschwimmen aber durch das lange Klingen leicht, so muss man hier wirklich gut dämpfen, damit es nicht schwammig wird. Die Petutschnigg-Harfe möchte nicht klingen wie eine Konzertharfe, sie möchte den eigenen, warmen Klangcharakter zelebrieren. Insofern gibt es sie auch nicht mit Darmsaiten ausgestattet.
Optik:
Bewertung:
Neidlos muss ich anerkennen, dass die Mürnseer optisch bestechender sind. Die Petutschnigg-Harfen schauen immer ein wenig so aus, als würden sie nach vorne umkippen. Jedoch gibt es auch bei diesen Harfen sehr aufwändig gestaltete Säulen und sogar Sonderlackierungen (z.B. La Harpe Blanche).
Die oben erwähnten Punkte der Holzfüße und Holzpedale wie die Stimmwirbel-Situation finde ich weniger schön, aber praktischer.
Preis:
Qualität hat ihren Preis! Die angegebenen 200 Arbeitsstunden sind aber nicht üppig bezahlt, wenn man dann noch weitere Kosten berücksichtigt. Auch wenn es für uns HarfenistInnen ein Batzen Geld ist: eine Harfe ist eine Anschaffung für die Ewigkeit, zumindest fast, und Volksharfen lassen sich innerhalb kürzester Zeit zu gutem Preis wieder verkaufen - falls man sich doch trennen muss.
FAZIT:
Wer die Wahl hat, hat die Qual... ich spiele seit fast 30 Jahren meine Petutschnigg, und ich war immer absolut zufrieden mit ihr. Ich bin sogar so zufrieden, dass ich es nun doch nicht übers Herz bringe, sie auszutauschen.
Aber die Mürnseer sind wirklich ebenso wundervolle Instrumente. Ich habe ein paar Harfen bei den Vorarlberger Harfentagen gespielt, und der Klang war brillant! Auch andere Volksharfenhersteller machen wunderbare Instrumente, diese standen aber hier nicht zur Debatte.
Wenn ihr Beratung braucht, könnt ihr gerne einen (Online-)Termin mit mir vereinbaren. Wer im Bodenseeraum eine Petutschnigg oder Mürnseer Probe spielen möchte, darf sich ebenso gern melden!
Keep harping!