Noten legal kopieren
Ihr seid Musiklehrer oder Musiklehrerin?
Na, Hand aufs Herz, wie viele Noten kopiert ihr für eure Schüler:innen?
Wenn eure Musikschule oder ihr selbst eine Lizenz pro Schüler:in erworben habt, tut ihr das - wenn ihr die gängigen Regeln beachtet - sogar vollkommen rechtmäßig. Die Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, die sonst droht, würde ich jedenfalls ungern in Kauf nehmen.
Als Harfenlehrerin auf der einen Seite und Herausgeberin von Noten auf der anderen Seite befinde ich mich in einem totalen Konflikt. Ich verstehe insbesondere im Unterricht mit Kindern und Jugendlichen, dass man den Eltern nicht zumuten kann, ständig Notenhefte zu erwerben, aus denen man ein bis maximal zwei Stücke macht. Nun ist es aber meiner Meinung nach für guten Unterricht unerlässlich, unterschiedliche Komponist:innen und Stile anzubieten. Was also tun?
Vor einem Jahr entschloss ich mich, die Möglichkeit für private Musikinstitute und auch private Musik-Lehrkräfte zu nutzen und pro Schülerin eine Lizenz zu erwerben, um meinen Schüler:innen den Kauf von allzu vielen Heften zu ersparen. Diese kostet ca. 18€ im Jahr pro Schüler:in, jedoch gibt es die Lizenzen immer nur zu 5 Stück. Wenn man also 6 Schüler:innen hat oder 11 usw., zahlt man die entsprechend nächsten Lizenzen mit.
Als ich mich damals mit der VG Musikedition in Verbindung gesetzt habe, war mir nicht klar, wie die dann die Verteilung der von mir kopierten Noten an die entsprechenden Urheber:innen geschieht. Irgendwie hatte ich vom System GEMA her erwartet, dass ich gebeten werde, eine Meldung über die kopierten Noten abzugeben.
Nachdem nichts dergleichen geschah, hab ich mich nun nochmals in das Thema eingearbeitet und folgende interessante Feststellung gemacht:
Ihr seid Herausgeber oder Herausgeberin von Noten? Dann solltet ihr das wissen:
Die Meldung funktioniert bei der VG Musikedition von der anderen Seite her, also von den Herausgeber:innen der Noten. Dazu muss man als Herausgeber:in eine Mitgliedschaft bei der VG Musikedition abschließen, die aber kostenlos ist, und der VG Musikedition am Ende des Jahres eine Liste schicken, wie viele Notenhefte man in dem letzten Jahr verkauft hat. Dies kann man hier tun: https://www.vg-musikedition.de/jetzt-mitglied-werden
Die VG Musikedition unterscheidet dabei nach „pädagogischem Material“ und „sonstigem urheberrechtlich geschützten Material“ (=alle anderen Noten), was darauf schließen lässt, dass die Ausschüttungen dafür unterschiedlich bewertet werden. Bei den Listen, die es da auszufüllen gilt, muss man die Seitenzahlen der Werke angeben, in einer anderen Liste den Umfang des „Papiergeschäftes“, es geht also um die insgesamt verkauften Seiten in dieser Kategorie in diesem Jahr und den damit erwirtschafteten Umsatz. (Anmerkung: Was das „Papiergeschäft“ ist, wird in den Ausschüttungsplänen nicht weiter erwähnt. Auch eine Suche nach diesem Begriff auf der Website der VG Musikedition blieb erfolglos. )
Bei Einnahmen über 200.000€ muss dies durch einen Steuerberater bescheinigt werden. Es kann jedoch jederzeit der Nachweis über die Umsätze angefordert werden.
Die Urheber:innen müssen also selbst tätig werden, sonst gehen sie bei der Verteilung leer aus.
Nach welchen Maßstäben nun das eingetriebene Geld konkret verteilt wird, steht im „Verteilungsplan C“. Diesen auf der Homepage zu finden, ist schonmal ein Unterfangen. Wenn man es geschafft hat, wird man wenig schlauer. Aber seht selbst: https://www.vg-musikedition.de/fileadmin/vgweb/public/pdf/Statuten/Satzungswerk/Verteilungsplaene_2023.pdf
Auf Nachfrage per Email, ob es denn Erfahrungswerte gibt (sprechen wir hier von 1ct pro kopierter Seite oder 1€ oder gar 10€), antwortet mir eine Mitarbeiterin der VG Musikedition:
„Leider, auch weil der Verteilungsplan letztes Jahr von den Mitgliedern geändert wurde, kann ich Ihnen keine Erfahrungswerte nennen. “
Eine kurze Bewertung der VG Musikedition aus meiner persönlichen Sicht:
Für mich stellt sich so dar, dass die kopierende Lehrkraft oder das kopierende Institut sich von rechtlichen Folgen freikauft und mit den Lizenzen einen Freifahrtschein für Kopien im Unterricht hat. (Im übrigen gelten hierfür auch genaue Regeln, man darf Werke von maximal 5 Minuten Länge kopieren, bei längeren Werken oder Sammelausgaben max. 20% des Werkes. Das ist aber, scheint mir, hinlänglich bekannt.)
Die fehlende Aufklärung an private Herausgeber:innen von Noten lässt vermuten, dass es gar nicht gewünscht ist, dass diese Bedarf anmelden. Da die VG Musikedition Lizenzgebühren durch die GEMA eintreiben lässt (deswegen denken viele, dass man ja „die GEMA für die Noten“ bezahlt hätte), könnte man zumindest alle GEMA-Mitglieder ganz einfach erreichen.
Die Informationen sind schwer zu finden, der Verteilungsplan vermutlich nur für diejenigen verständlich, die ihn angefertigt haben.
Für mich hat sich der moralische Konflikt leider damit nicht aufgelöst. Private Herausgeber:innen von Harfennoten, die ich in meinem Unterricht hauptsächlich nutze, gehen leer oder wahrscheinlich mit sehr wenig aus (wenn sie denn das komplizierte Procedere durchlaufen haben im unwahrscheinlichen Fall, dass sie überhaupt davon wussten).
Eine Lösung?
Für meine erwachsenen Schüler:innen gilt: ich fertige keine Kopien an sondern bitte sie, die Noten im Original zu erwerben. 10-30€ für ein schönes Notenheft sind m.E. eine gute Investition und nicht zu viel verlangt.
Für meine Kinder gehe ich den Weg über die Lizenzen. Jedoch achte ich darauf, auch hier den Erwerb der Notenhefte anzuregen, wenn es mir lohnenswert erscheint.
Das System finde ich persönlich für Herausgeber:innen ziemlich unfair. Die Menge der verkauften Hefte pro Jahr sagt ja wenig darüber aus, wie häufig diese in diesem Jahr kopiert wurden. Natürlich darf nur aus Originalen kopiert werden, dennoch: wenn eine Lehrkraft Gefallen an meinen Stücken findet, und das ist für mich das größte Lob, reicht es, wenn sie das Heft einmal erwirbt. Ob meine Stücke dann an drei oder über die Jahre 30 Schüler:innen verteilt werden, wird und kann nicht gemessen werden.
Da Notenverkäufe einen guten Teil meines Jahreseinkommens ausmachen (sollten), ist es für mich ein weiterer Konflikt: ich freue mich, wenn meine Noten im Unterricht verwendet werden, bekomme dafür aber über die VG Musikedition vermutlich allenfalls ein Schmerzensgeld.
Es sei erwähnt, dass man als Notenherausgeber:in Widerspruch einlegen kann bei der VG Musikedition. Dann dürfen die Noten nicht kopiert werden. Jedoch: wo steht diese Liste? Wie kann man denn als Lehrkraft überhaupt herausfinden, was man nicht kopieren darf? Was ist mit ausländischen Notenherausgebern? Die haben ja schlichtweg keine Chance, sich bei der VG Musikedition anzumelden, wenn man schon als Muttersprachlerin fast scheitert. Darf man die dennoch kopieren?
Für mich bleiben viele Fragen offen und das System VG Musikedition ein insgesamt unbefriedigender Versuch, Fairness in das Kopieren von Noten zu bringen.
An dieser Stelle sei hinzugefügt, dass folgende Dinge, bislang als Kavaliersdelikt empfunden, ebenfalls verboten sind und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können und dafür auch keine Lizenz erlangt werden kann:
- Sicherungskopien anfertigen
- Digitalisieren von nur als Papier erhältlichen Noten
- Teilen von „eingerichteten“ (mit Fingersätzen oder Pedalmarkierungen versehenen) Noten mit Kolleg:innen
- Umblätterkopien anfertigen
Wie sinnvoll dies ist, darf jede:r für sich entscheiden, ich wurde nur mehrfach darauf hingewiesen und erwähne es der Vollständigkeit halber.
Mein Wunsch:
Bitte erzählt allen Musiker:innen, die ihre Noten privat herausgeben, davon, dass sie ihre Rechte geltend machen müssen. Teilt gerne diesen Blogpost!
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Stefanie Bieber (Donnerstag, 21 März 2024 17:56)
Danke für diesen erhellenden Artikel!
Ich halte es für extrem aufwändig, jedes Jahr eine Meldung meiner verkauften Hefte zu machen, im Vergleich zur zu erwartenden Ausschüttung.
Deshalb werde ich bei der VG Musikedition Widerspruch einlegen, damit sind dann die Nutzerinnen in der Pflicht, sich zu informieren, ob man meine Hefte kopieren darf.
Ich genehmige das tatsächlich in einigen Ausnahmefällen, aber eben nicht pauschal.
Kontaktdaten von Herausgebern findet man übrigens im Impressum.