Wie man ein Stück konzertreif erarbeitet

Frustfaktoren beim Erlernen eines Instruments

Der letzte Schliff

Kennst du das? Du hörst ein tolles neues Stück oder deine Lehrerin sucht ein tolles neues Stück für dich raus und du kannst es gar nicht erwarten, es endlich zu spielen?


Du übst jeden Tag, es geht immer besser. Aber dann.. dann tut sich irgendwie nichts mehr und so richtig flüssig klingt es noch nicht. Du kannst das Stück aber irgendwie auch nicht..


Es ist einer der größten Frustfaktoren im Instrumentalunterricht. Man hüpft von einem Stück zum nächsten, aber keines ist richtig fertig. 


Woran liegt das? Die ersten 80% einer neuen Aufgabe benötigen 20% unserer Aufmerksamkeit, Energie und Zeit, und die letzten 20% benötigen 80%. Daher sind wir am Anfang motiviert, weil es - wenn das Stück zu unserem Niveau passt - erstmal ganz gut voran geht. Aber dann beginnt die eigentliche Arbeit! Und das fühlt sich verdammt frustrierend an. Es liegt nicht an euch, es liegt in der Natur der Sache. Jeder von uns geht es so, jeder musste da schon durch. 


Wie schafft man es also, durchzuhalten?


Vielleicht helfen euch meine folgende Übestrategien:


  1. Bewusstmachen der Problematik: vielleicht fühlt ihr euch schon besser, wenn ihr wisst, dass es völlig normal ist, an diesem Punkt zu sein. 
  2. Kleine Häppchen: teilt euch das Stück in Abschnitte von vier Takten auf! Übt nur diese kleinen Einheiten. 
  3. Beginnt das Stück von hinten her: immer nur eine Phrase üben (also Auftakte usw. mitüben, Läufe nicht unterbrechen). Wirkt Wunder.
  4. Übt häufiger am Tag statt einmal lang. Kleine Einheiten von 3-5 Minuten reichen aus.
  5. Wiederholt die Stellen, die nicht flüssig laufen, zählt runter. Mindestens 10 Mal, besser 20 Mal. Wenn es anfängt immer schlimmer zu werden, aufhören. 
  6. Setzt jetzt die Stellen zusammen. Schraubt dazu das Tempo runter.
  7. Filmt euch: ihr findet raus welche Stellen nicht gehen. Filmt euch 5 Mal, um rauszufinden ob es jedes Mal die selben Stellen sind.
  8. Übt mit Metronom. Der häufigste Selbstbetrug ist, dass an schwierigeren Stellen das Tempo plötzlich abbricht. Und dann ist die Enttäuschung gross, wenn man bspw. mit jemandem zusammen spielt oder sich auf Aufnahmen hört. Bewegt euren Fuß im Takt mit, um das Tempo im Körper zu haben. 
  9. Lernt das Stück auswendig. Dies wird dazu führen, dass ihr es auch in einem Jahr schnell wieder aufgreifen könnt. 
  10. Wenn ihr das Stück drei Mal vor Publikum gespielt habt, sitzt es. Alternativ: entsprechend oft gefilmt. 



All diese Dinge passieren dann, wenn ihr das neue Stück schon prinzipiell einstudiert habt. An der Harfe gibt es folgende Übetechniken, um das Stück von Grund auf zu erarbeiten:


  • linke Hand und rechte Hand getrennt üben
  • Rhythmus an Hand von Strichen klären, was kommt gemeinsam, was nacheinander?
  • Stimme der linken Hand mit beiden Händen spielen, Stimme der rechten Hand mit beiden Händen spielen, und als kleines Hirnjogging die Stimmen vertauschen
  • Läufe rhythmisieren: Punktierungen, Triolen. 
  • Wenn möglich eine Oktave tiefer oder höher spielen als normal.
  • Und ganz wichtig: immer den selben Fingersatz verwenden. Bleibt dabei, was ihr im Unterricht besprochen habt oder euch selbst erarbeitet habt!


Woran könnte es sonst noch liegen, dass ihr euer Stück einfach nicht so gut spielen könnt wie ihr das wollt?


  • Das Stück ist zu schwer für euch.
  • Ihr habt die entsprechenden Techniken noch nicht ausreichend verinnerlicht, wenn ihr z.B. noch nie Alberti-Bass gespielt habt, werdet ihr es nicht gleich im Stück schaffen. Das muss erst isoliert geübt werden. Wie? Siehe oben unter Übetechniken, um ein Stück von Grund auf zu erarbeiten. 
  • Das Stück ist ungünstig notiert, Strukturen sind nicht erkennbar. Hier hilft es, mit Farben zu arbeiten oder/und auswendig zu lernen. 
  • Ihr verzettelt euch und arbeitet an zu vielen Stücken parallel. Könnt ihr irgendwo Abstriche machen?
  • Ihr gönnt euch nicht ausreichend Pausen und übt zu lange Zeiteinheiten. 
  • Ihr seid verkrampft beim Spielen. Das passiert oft wenn ihr überfordert sein. Tempo runterschrauben!


So, und jetzt werdet ihr zu Recht sagen: das ist aber ne Menge Arbeit. So viel Zeit/Frust kann ich in meinen Alltag nicht einbauen! Verständlich, daher gönnt euch ausreichend Spaßsachen an der Harfe. Leichte Stücke, die ihr schon könnt; mit jemandem zusammen spielen; improvisieren. Immer wieder in den Flow kommen. (Dazu gibt es von mir einen Workshop). Denn ihr braucht ausreichend positive Erlebnisse, um die Kraft zu haben, den Stein die letzten Meter den Berg hinaufzurollen. 


Habt ihr noch mehr gute Tipps? Helfen euch meine? Freue mich auf eure Kommentare. 


Braucht ihr noch Einzelcoaching? Dann schreibt mich gern an. 

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